An den Tischen
links der Theke wurde in kleinen Grüppchen geredet oder gewürfelt.
Vereinzelt saßen Liebespärchen an ihnen, die Gesichter im romantisch
flackernden Licht kleiner Tafelkerzen. Auch mehrere Soldaten, die Mathes
flüchtig kannte, feierten und tranken sich in ihr Wochenende. Die
meisten umgarnten die wenigen kokettierenden ansässigen Mädchen auf der
Tanzfläche wie läufige Hunde. Mathes versuchte unter den Niederländern
vielleicht den Zweiten auszumachen, den sie im Hausgang belauscht
hatten. Auch er schien nicht anwesend zu sein. Mathes verwandte seine
Zeit darauf, sich Gesichter einzuprägen, wobei er fortwährend durch die
faszinierend schönen Beine von Anja abgelenkt wurde, die in einer
silbrigen, hautengen Satinhose und weißen, hohen Damenschuhen
vortrefflich zur Geltung kamen. Ab und zu konnte er das Glitzern eines
zarten Kettchens an ihrer Fußfessel wahrnehmen. Es schien ihm, als
beginne jeder Zentimeter, den ihr Fuß berührte, zu knistern. Nach einer
Weile kam Gerd herüber, die Blonde im Arm. Mathes konnte sich nicht mehr
erinnern, ob sie ihm ihren Namen genannt hatte. Erst jetzt fiel ihm auf,
dass sie etwas größer war als Gerd. Er ärgerte sich darüber, dass sie es
nicht für nötig gehalten hatte, ihn vorher schon zu begrüßen. „Junge,
vergiss unser Interview nicht! Ich habe Sylvia erzählt, dass wir heute
noch mal in die Kaserne müssen, um die Wachabnahme zu überprüfen. Sie
sieht ein, dass sie da nicht mitdarf, und wird mich sehnsüchtig
erwarten. Stimmt doch, Mathes, oder?“ – „Ja, er hat recht, und es wird
nicht lange dauern.“ Gerd hatte ihn von dem Problem befreit, sich eine
Ausrede für die Mädchen zu überlegen. Obwohl es ihm widerstrebte, Anja
anzulügen, war diese kleine Ausrede wohl das Beste. Allerdings hielt er
Anja nicht für so blöd, zu glauben, zwei unbedeutende Soldaten wie sie
würden Wachabnahme halten. Er musste schmunzeln über Gerd, der in Syllis
Augen wohl längst ein großer Kriegsheld war.
Kurze Zeit
später duckten sie sich wieder in ihr Versteck. Dabei gewährten ihnen
die Kisten, die wohl irgendjemand weiter aufgetürmt hatte, zusätzliche
Deckung. Der Himmel war von Wolken verhangen und leichter Nieselregen
hüllte die im Laternenlicht einsam gelegene Gasse in einen ewigen trüben
Nebel. Nur ein einziges Fenster in dem verwachsenen Hinterhof spendete
matten Lichtschein – das Fenster des ersten Stockes, welches Mathes
schon einmal näher inspiziert hatte. „Alles verlassen und unbewohnt“,
flüsterte Gerd. Mathes nickte: „Kann uns nur recht sein.“ – „Willst du?“
– Mathes ergriff überrascht den Flachmann, den ihm Gerd entgegenhielt:
„Du hast auch wirklich an alles gedacht, merci.“ – „Klar, Kamerad,
gehört doch laut Göbbel zur Grundausstattung im Einsatz.“ Mathes lachte
leise und nahm einen kräftigen Zug. Er genoss das wohlig warme Gefühl,
das ihn durchströmte, setzte die Flasche nochmals an, behielt den Asbach
– vermutlich war es Asbach – etwas in der Mundhöhle, gurgelte, atmete
seinen scharfen Geruch durch die Nase und ließ ihn langsam
hinunterrinnen. „Beinahe ein Liebesakt“, dachte er und verstand
diejenigen, die in ihrer Verzweiflung Erfüllung fanden in einer Flasche
Alkohol. Zärtlicher, betörender, tückischer, tödlicher Rausch! Anja
berührte seine Sinne und er reichte Gerd die Pulle zurück. Er wollte
nicht trinken, nein, er wollte alsbald wieder bei ihr sein in dem Pub.
Sie ansehen, nur ansehen ... diesen schmutzigen Hinterhof vergessen. Er
kam sich sehr töricht vor. Gerd stupste ihn an: „Da ... es sind zwei!“
Sie hatten niemanden kommen hören, jetzt standen plötzlich zwei Personen
im Torbogen, zum Greifen nahe. Den Umrissen nach nur eine männliche
Gestalt. Er trug einen Pullover oder ein Sweatshirt mit Kapuze. Den
rechten Arm hatte er um die zweite, schmale Person gelegt. Ein Mädchen
mit langen, glatten Haaren, den Kopf gesenkt, sodass sie über ihr
Gesicht fielen. Gekleidet war sie in einen viel zu großen Trenchcoat.
Der Mann blickte nochmals hastig um sich, dann überquerte er den Hof. Er
stieß einen kurzen schrillen Pfiff aus und wartete dann an der alten
Holztür. Die Klingel schien nicht zu funktionieren, das musste er
wissen. Sie würde weiterhin unbeobachtet und unbetätigt in ihrem
verblichenen, von Staub bedeckten Messingrahmen schmachten. Es dauerte
nicht lange, bis die Tür sich einen Spalt breit öffnete. Sie konnten ein
leises, nicht zu verstehendes Flüstern vernehmen. Eine pechschwarze
Katze schlich über das von Unkraut verwilderte Pflaster. Aufmerksam
geworden, blieb sie stehen. Die Ohren steil aufgestellt und eine Pfote
angehoben, richtete sie ihre Sinne auf den Hauseingang. Ihr senkrecht
stehender Schwanz vibrierte elektrisiert in der Spitze und ließ ihre
Angespanntheit erahnen. Eine unmerkliche Bewegung von Gerd genügte, dass
sie herumschrak. Sie starrte zu ihrem Versteck zwischen Mülltonnen und
Kisten. Trotz der Dunkelheit funkelten die Tieraugen wie zwei glühende
Diamanten. Endlich erkannte sie ihre unsichere Position und beendete die
verräterische Habachtstellung. Ohne das kleinste Geräusch zu
verursachen, flüchtete sie in einen schützenden Kellerschacht. Die
schwere Holztür schnappte metallisch klickend ein. Allein geblieben,
wandte der Fremde sich um, schob einen Briefumschlag oder eher eine
schmale Mappe unter sein Oberteil und verschwand mit schnellen Schritten
durch den Torbogen auf die Straße. Immer noch erhellte das Licht in dem
Fenster matt die Fassade. Mathes flüsterte: „Pass auf, dass er nicht
noch mal kommt, ich steige auf das Gerüst ... muss wissen, was hier
abläuft! – Schnalz kurz mit der Zunge, falls jemand auftaucht ...“ –
„Okay, Flieger Huber hält die Stellung. Mach bloß nichts Unbedachtes!
Ich glaube, wir stochern gerade in einem Wespennest.“
Mathes huschte
über den Hof. Gleich darauf rückte er eine vergessene Weinkiste unter
den Aufbau. Mit einem Klimmzug erreichte er die Plattform. Er wusste,
dass er bedenkenlos auftreten durfte, da das von Sand und Moos bedeckte
Bretterwerk jedes Geräusch dämpfen würde. Vorsichtig erhob er sich aus
seiner kauernden Stellung und blickte in das von der Stehlampe hell
erleuchtete Zimmer. Eine Hälfte des Flügelfensters verdeckte wieder der
nikotingelbe Vorhang. Doch ließ sich der gesamte Raum lückenlos durch
die andere Hälfte überblicken. Das Mädchen lag halb nackt auf der
Pritsche. Die zwei Knöpfe ihrer verschmutzten Stonewashed-Jeans waren
geöffnet, der Reißverschluss heruntergezogen. Das weiße Höschen war zu
sehen. Ihre junge Brust wurde nur knapp von einem roten Trägertop
bedeckt. Mathes schätzte sie auf kaum älter als sechzehn Jahre. Sie
hielt die Augen geschlossen, ihr Kopf lag seitlich auf einem Kissen.
Pomadezopf hatte seinen Stuhl gedreht, saß, die Arme auf die Lehne
gestützt, mit dem Rücken zum Fenster und blickte auf das Mädchen herab.
Eine Zigarette qualmte zwischen seinen Fingern. Seine weiße Jeans
stülpte sich über grobe Cowboystiefel, die Beine hatte er angewinkelt um
die des Stuhles gelegt. Sein Oberkörper war nackt. Eine Tätowierung
umschloss ringförmig seinen linken Oberarm. Sie stellte das Geflecht von
Stacheldraht in Rosenblüten dar. Das glänzende glatte Haar hielt ein
rotes Frotteeband zusammen. Ganz ruhig saß er da und sah auf sie
hinunter. Eine Mathes ewig erscheinende Zeit verstrich und fast wollte
er schon wieder seinen Platz verlassen, als Pomadezopf aufstand und den
Stuhl schroff zur Seite stieß. Er stand jetzt breitbeinig direkt vor der
Pritsche. Das Mädchen bewegte sich nicht. Zweimal schlug er ihr mit dem
Handrücken grob ins Gesicht. Mathes zuckte zusammen. Sie verzog
schmerzhaft das Gesicht, öffnete die glasigen Augen, wimmerte. Er
lachte: „Los, kleine Nutte, wir werden uns jetzt etwas amüsieren!“ Sie
blickte verängstigt zu ihm hoch, kniff die Augen zusammen, schien ihn
nicht richtig sehen zu können. Es konnte wegen des hellen Lichts sein,
doch hatte Mathes einen anderen Verdacht. Der Rohling streichelte
beinahe zärtlich ihre Wange. Etwas Blut lief ihr über die Unterlippe.
Seine Hand glitt hinab zu ihrer jungfräulichen Brust. Mit einem Ruck
riss er ihr Oberteil herunter. Instinktiv wollte sie die Arme schützend
darüberlegen, doch er hielt ihre schmalen Gelenke mit einer Hand
zusammen und schlug ihr mit der Rechten nochmals heftig ins Gesicht.
Dann ergriff er die Whiskyflasche, die neben dem Bett gestanden hatte,
und schüttete ihr hämisch lachend die bernsteinfarbene Flüssigkeit ins
Gesicht. Ihre Hände waren noch immer gefesselt von seinen Pranken und
ein Knie hatte er in ihren Bauch gestemmt. Sie schrie vor Schmerz, als
der brennende Alkohol in Augen, Nase und blutende Lippe drang. Er lachte
bösartig, drückte ihre kraftlosen Arme nach hinten. Brutal betatschte er
den aufkeimenden Mädchenbusen und drückte die zarten Knospen, dass sie
sich gequält aufzubäumen versuchte. Der Branntwein hatte sich mit den
Tränen vermischt, die sie verzweifelt herausschluchzte. Gerade als er
ihr erbarmungslos die Hose herunterzureißen versuchte, fuhr er jäh
herum.
Lesermeinung an den Autor
j.horst2@freenet.de
Wenn ich mit dem Buch fertig bin, habe ich entweder
einen Nervenzusammenbruch oder ein Magengeschwür.
Wahnsinn!
Roswitha L. aus München
Der authentische Roman Märtyrer des Herzens
16,40 Euro inkl. 7% MwSt.
oder in ihrem Buchhandel unter ISBN978399003623-5
Vorwiegende Orte des Geschehens sind:
NL / Budel, Amsterdam
SLO / Porto Rosz - HR / Rijeka
D / München, Köln, Leipzig
Zeitraum der Handlung:
Oktober 1989 - Mai 1995
Als authentische Geschichte innerhalb von fünf Jahren unter Einfluss erheblicher selbstanalytischer und gemütsträchtiger Bedingungen in verschiedenen deutschen Justizvollzugsanstalten verfasst.